Haiku ist die Bezeichnung für eine charakteristische Verskunst
in der japanischen Dichtung, die ab Anfang des 20. Jahrhunderts auch in der
Literatur anderer Kulturen auftauchte. Die Versform selbst, die im gegenwärtigen
Fall auch eine literarische Gattung ist, ist sehr unkompliziert. Sie besteht
aus drei Zeilen, mit 5-7-5 Mora. Mora bedeutet so viel wie Zeitraum und ist
eine Maßeinheit für das Silbengewicht. Die Zeilen müssen sich beim Haiku nicht
unbedingt reimen, aber es ist durchaus möglich.
In den Dichtungen
geht es kennzeichnend – aber nicht ausschließlich – um die Natur und deren
Schönheit, sowie die damit verbundenen Stimmungen und Gefühle. Die
traditionellen Haiku werden in den Anthologien nicht nach Epochen oder
Verfassern, sondern nach Jahreszeiten klassifiziert. Dies bezieht sich
ausschließlich auf das traditionelle Haiku; nach Auffassung progressiver
Strömungen können alle möglichen Dinge (ein Bauwerk oder ein Kleidungsstück) Stimmungen
und Gefühle „vermitteln”.
Die Kunst des Haiku
ist mehr als „nur” Dichtung. Das Schreiben und die Suche nach den
entsprechenden Worten ist eine Art von Meditation, bei der der Dichtende im
Geiste Eins mit der Natur und dem Universum wird, während sein Ego aufhört zu
existieren. Somit ist das Haiku eine ausschließlich deskriptive und objektive Kunst.
Der Künstler fasst mit deren Hilfe die Schwingungen des Kosmos in Worte. Das
durch Worte übertragene Bild vermittelt Ruhe und Harmonie. Die Beruhigung des
Geistes bringt auch die Beruhigung des Körpers und der Seele mit sich und wirkt
außerdem fördernd auf den Charakter und die Persönlichkeit.
Haiku ist im Grunde
genommen eine eigenständige literarische Gattung, bei der der Meister, und der
die Richtung angibt, das Haiku selbst, unsere eigenen Gedanken sind. Das Schreiben der kleinen Gedichte, die aus 17
Silben bestehen, bereitet nur anfangs Schwierigkeiten, sobald wir uns aber damit identifizieren, kommen die
Gedanken fast von selbst.
Die Haiku-Dichtung,
ist zwar eine individuelle Tätigkeit, auf paradoxe Art und Weise funktioniert
sie jedoch am besten, wenn wir uns mit anderen darüber austauschen. Während die
Formung der Wesensart und die Änderung von Grundhaltungen ein Alleinsein
erfordern, ist dafür die Tätigkeit, verschiedene Auslegungen auf einen
gemeinsamen Nenner zu bringen, viel eher eine Gemeinschaft erforderlich. Die
kollektivformende Wirkung zeigt sich besonders beim Vorlesen des Haiku bzw.
seiner gemeinsamen Interpretation.
John Lennon sagte
einmal: Schreib lieber Haiku, als Kriege
zu führen! Darin liegt eine tiefe Wahrheit, denn positive Gedanken
weiterzugeben und auszutauschen, wandelt alle negativen Energien unausbleiblich
in das Gegenteil um.
Nehmen Sie sich –
wenn möglich – jeden Tag Zeit dafür. Wenn das nicht geht, dann zumindest einmal
wöchentlich vor dem Schlafen gehen. Lesen (und interpretieren) ist ebenso
beruhigend, wie selbst etwas Neues zu erschaffen. Ein ruhiger Schlaf ist Ihnen
zumindest garantiert.